Kindheitsträume sind langlebig, das wissen Männer wie Bernd Sieber, Günther Steinhauer und Heiner Bruer aus eigener Erfahrung. Deshalb lassen sie regelmäßig Wünsche in Erfüllung gehen: Große Jungs, in Würde ergraute Familienväter, aufgeregte Frauen mit Fingerspitzengefühl, sie alle dürfen einmal wie Lukas, der Lokomotivführer, fröhlich aus dem Führerhaus winken und ein wenig Dampf geben. Sie sind auf Stippvisite im Eisenbahnerhimmel und machen den Lokführerschein ehrenhalber.

Seit Mitte des 19. Jhs. waren Dampflokomotiven für rund 100 Jahre die Stars des Fernverkehrs in Deutschland. Erst als ab 1940 die effizienteren Diesel- und später die Elektroloks in Betrieb genommen wurden, schob man sie nach und nach aufs Abstellgleis. Im Oktober 1977 stellte die Deutsche Bundesbahn den Dampflokbetrieb ein, elf Jahre später die Deutsche Reichsbahn. Seitdem fahren die alten Schätzchen nur noch auf Museums- und Privatstrecken, wie etwa der Harz-Querbahn oder der Sauschwänzlebahn im Schwarzwald.

Deutsches Eisenbahnmuseum Neuenmarkt

Auf dem Betriebsgelände des Deutschen Eisenbahnmuseums in Neuenmarkt -Wirsberg, Oberfranken, fanden die ersten Kurse für Hobbylokomotivführer statt: vier Tage mit Ruß an den Fingern und dampfseliger Euphorie im Herzen. 30 historische Dampflokomotiven, die älteste stammt aus dem Jahr 1909, stehen auf den Schmalspurgleisen im Betriebsgelände des ehemaligen Lokschuppens, dazu diverse Kleinbahnloks und sogar eine Dampfschneeschleuder.

Bernd Sieber leitet hier die Ausbildung für maximal 20 Personen, die »rein aus Spaß an der Freud« nach Neuenmarkt kommen. Vor der Praxis erläutert er ausführlich die Funktionsweise von Feuerbüchse, Röhrenkessel und Kuppelstangen sowie die sicherheitsrelevanten Regeln: »In unserer heutigen Lebenswelt werden Maschinen so gebaut, dass ein Laie sie benutzen kann. Eine Dampflokomotive aber ist eine sehr gefährliche Maschine, die man nur mit einer sehr guten Ausbildung und viel Gefühl bedienen darf. Aus physikalischen Gründen: Wenn aus 1 Liter Wasser 1725 Liter Dampf mit über 200 °C Temperatur werden, dann ist klar: Mit 1000 Litern verdampftem Wasser fahren wir hier auf einer Bombe!« Schlagartig wird den Lokführeraspiranten klar, welche riskante und anspruchsvolle Arbeit die Profis in der Lok leisten.

Als besondere Attraktion der nahen Bahnstrecke zwischen Wirsberg und Marktschorgast ist die »Schiefe Ebene« das Ziel von Eisenbahnfans aus aller Welt. Natürlich lernen auch die Kursteilnehmer diesen Streckenabschnitt kennen: Auf 8 km überwindet die Bahn seit 1844 einen Höhenunterschied von 158 m mit einer konstanten Steigung von 25 Prozent. In den Zeiten der ehrwürdigen Ludwig-Nord-Süd-Bahn war diese technische Leistung nur mit zusätzlich angekoppelten stationären Dampflokomotiven zu bewältigen.

Heutzutage fahren moderne Elektroloks im regulären Betrieb zwischen Hof und Kulmbach auf der historischen Trasse – und manchmal eine nostalgische Diesellok samt Anhang auf der Steilrampen-Sonderfahrt zum Biermuseum in Kulmbach. Dies und viele baugeschichtliche Details erfährt man bei einer Wanderung entlang der berühmten Trasse.

Als schließlich der Heizer die Feuerung der 70 PS starken Riesa-Lok in Gang setzt und den Dampfdruck kontrolliert, verkündet ein fröhlicher Pfiff: Jetzt geht es endlich los! Ruckelnd, keuchend, kräftig dampfend schiebt sich die Lok über das Gelände – und wieder sind einige Eisenbahnfreunde zum überglücklichen Ehrenlokführer befördert.

Nostalgie im Selfkant

Auch auf der Reststrecke der ehemaligen Geilenkirchener Gleisbahn bieten die Aktiven von der Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr die Kurzausbildung zum Ehrenlokführer der Selflkantbahn in dreitägigen Pauschalarrangements an, Zertifikat und natürlich eine original Lokführermütze inklusive.

Als Seminarleiter und professioneller Lokomotivführer nimmt Günther Steinhauer regelmäßig sechs bis acht Eisenbahnfreunde zu sich ins Führerhaus und zeigt ihnen, wie man mit sanftem Druck Handkurbel und Reglerventil bedient, den Zug steuert und bremst. Das Programm ist liebevoll, aber straff organisiert, auch der stärkende Eisenbahnerschmaus darf da nicht fehlen.

Am Bahnhof Schierwaldenrath lernen die Hobbyeisenbahner direkt am Objekt den Vorbereitungsdienst an einer Kleinbahnlokomotive. Schließlich sind Wartung und Pflege enorm wichtig, um die stählernen Unikate lange in Betrieb zu halten. Zwischen Feuerbüchse und den Rohrleitungen des Sandkastens warten viele technische Details und einige Anekdoten auf die Lokazubis. Denn: »Eine Dampflok ist eine Zugmaschine, die die Druckenergie des Arbeitsmediums Wasserdampf in Bewegungsenergie umwandelt!« Aha. Irgendwann, wenn alle das Prinzip verstanden haben, wird die Lok mit Steinkohle befeuert und setzt sich zur Krönung des ersten Lehrgangtages auch mit einem Ruck in Bewegung. Schließlich fährt die Selfkantbahn nach Fahrplan, mit maximal 20 km/h nach bis Gillrath und zurück. Auf der 5,5 km langen Strecke braucht sie für Hin- und Rückfahrt rund vier Zentner Steinkohle zur Befeuerung.

Während die Kursteilnehmer beim gemeinsamen Abendprogramm ihre Erlebnisse Revue passieren lassen, steht die Lok unter Ruhefeuer. Am Sonntagmorgen wird alles zur Fahrt vorbereitet – oder aufgerüstet, wie die Eisenbahner sagen – und auf das richtige Gleis rangiert. Die Lokomotivlehrlinge dürfen selber fahren, nur beim kniffligen Bremsmanöver legt der Ausbilder Hand an die Regler. Wir haben bisher an rund 400 Menschen das Ehrenlokführer-Zertifikat ausgehändigt. Der jüngste war 14, der älteste 81! Die meisten sind beim Fahren der Lok eher übervorsichtig; und allen – wirklich allen – eröffnet der hautnahe Kontakt mit historischer Technik Einblicke in eine völlig neue Welt«, berichtet Günther Steinhauer.

DR Ehrenlokführer

Strengere Kriterien für Hobbyeisenbahner legt der Club DR Ehrenlokführer bei der Anerkennung von Kursen an (DR steht für Deutsche Reichsbahn in der ehem. DDR). Zehn bis elf Tage dauert die Intensivausbildung auf einer der Schmalspurdampflokomotiven, wie sie u. a. die Harzer Schmalspurbahnen oder die Bäderbahn Molli an der Ostseeküste zwischen Bad Doberan und Heiligendamm anbieten. Eignen sich Kurzkurse zum Schnuppern, so nehmen den Aufwand eines zweiwöchigen Lehrgangs samt theoretischer und praktischer Prüfung hauptsächlich langjährige Eisenbahnfans auf sich. Danach können sie deutlich mehr als nur den Regler bedienen und dürfen unter Aufsicht eines professionellen Triebwagenführers, so die offizielle Bezeichnung, auch auf speziellen Strecken im In- und Ausland
fahren.

Mindestens 18 Jahre alt sollen die Teilnehmer sein, außerdem müssen sie gut hören und sehen können, was bei jungen Menschen heutzutage nicht selbstverständlich sei, berichtet Heiner Buer, der Vorsitzende von rund 270 im Club organisierten Ehrenlokführern. »Wer einen Hörschaden aus der Disco hat, kriegt beim Schütteln und Rattern auf einer Dampflok die Kommandos des Heizers und die Signale auf der Strecke nicht richtig mit!«

Über einen Mangel an wissbegierigen Teilnehmern an den Hobbylehrgängen können sich die Betreiber der dampfenden Wunderwerke nicht beklagen: Mehr als 700 Ehrenlokführer haben allein bei den Harzer Schmalspurbahnen ihre Urkunde erhalten. Dabei stehen nicht nur technische und praktische Übungen auf dem Stundenplan, die Dampfloklehrlinge werden konsequent in den Schichtbetrieb eingegliedert, lernen das 140 km umfassende Streckennetz mit all seinen unübersichtlichen Kurven, Bahnübergängen und Signalen kennen.

»Hier erlebt man noch das heute seltene Flair und auch die Strapazen eines authentischen Dampflokbetriebes unter Realbedingungen«, betont Ausbildungslokführer Dieter Steinkamp. Und das heiße auch: Den ganzen Tag stehen, bis zu zwölf Stunden Schichtdienst, sich pflichtgemäß an den Fahrplan halten und immer freundlich sein, denn nicht nur als Lokführer, sondern auch als Schaffner und Zugbegleiter lernt man in diesem Kurs die Welt der Eisenbahn von vielen Seiten kennen. Erst nach dem anspruchsvollen Training und einer Prüfungsfahrt erhalten die Kandidaten dann das begehrte Zertifikat – und auch ihre schwarze, rußverschmierte Arbeitsjacke der HSB dürfen sie als Erinnerung an die spannenden Schmalspurtage im Harz mit nach Hause nehmen.

Infos Ehrenlokführer

Kontakte: Deutsches Dampflokomotivmuseum, Birkenstr. 5, 95339 Neuenmarkt/Oberfranken, Tel. 0 92 27/57 00, www.dampflokmuseum.de. Di-So 10-17 Uhr. Fünftägiger Hobby-Dampflokführerkurs als Pauschalarrangement mit Unterkunft und Frühstück ab 250 €; Information und Buchung über Gäste-Information Wirsberg, Sessenreuther Str. 2, 95339 Wirsberg, Tel. 0 92 27/9 32 20, www.wirsberg.de.
Selfkantbahn, Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr, PF 10 0702, 52007 Aachen, Tel. 02 41/8 23 69, www.selfkantbahn.de. Zwischen Ostern und Ende Okt. sieben Kurse für Ehrenlokführer mit max. acht Teilnehmern, dreitägige Pauschalarrangements ca. 550 €. Buchung über HeinsbergerTourist Service, Valkenburger Str. 45, 52525 Heinsberg, Tel. 0 24 52/13 14 15.
Harzer Schmalspurbahnen, Friedrichstr. 151, 38855 Wernigerode, Tel. 0 39 43/55 80, www.hsr-wr.de. dreitägiger Schnupperkurs 298 €, elftägiger Hobbylehrgang 880 € (ohne Unterkunft und Verpflegung).
DR Ehrenlokführer: Heiner Bruer, Vorsitzender Deutschland, Am Kornfeld 10, 31708 Ahnsen, 0 57 22/8 58 11, www.dr-ehrenlokfuehrer.de.
Voraussetzung für alle Kurse: Robuste Arbeitskleidung und feste Schuhe mitbringen; private Haftpflichtversicherung.
Essen und Unterkunft: Die Veranstalter der Kurse arrangieren Unterkünfte in Hotels bzw. Pensionen in der Nähe des Einsatzortes. Für die Verpflegung während der Kurse ist je nach Arrangement gesorgt, im Lokführerschichtdienst dagegen ist für geregelte Mahlzeiten keine Zeit.
In Herrmann’s Romantik Posthotel in Wirsberg zaubert Fernsehkoch Alexander Herrmann feinste Menüs, bewirtet zugleich bodenständig in der Fränkischen Stube und bündelt kulinarischen Genuss mit edlen Übernachtungen zu Wochenendpauschalen. Marktplatz 11, 95339 Wirsberg Tel. 0 92 27/20 80, http://hotel. alexander-herrmann.de.
Das Hotel Schloßpalais Fischer in Wernigerode präsentiert sich als freundlicher Mix von alten Fachwerkfassaden und modernem Komfort. Hübsche Gartenterrasse. Johann-Sebastian- Bach-Str. 11, Tel. 0 39 43/63 05 40, www.schlosspalais.de.

dampflokDampflokomotive


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2 Kommentare zu “Dampf ablassen im Lokführerstand”

  1. Hubert sagt:

    Schaut auch mal auf http://www.beliebte-reiseziele.org Im Sommer Reiseziel Tirol gibt es zwei alte historische Eisenbahnen, die heute noch in Betrieb sind. Sie fahren von Jenbach ins Zillertal, bzw. von Jenbach zum Achensee.

  2. Das stimmt mit den Bahnen in Jenbach. Die Bahnen gehören zu den best besuchten Sehenswürdigkeiten im Karwendel.

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