Hilft das Schäfchenzählen wirklich, wenn man nicht einschlafen kann? Und warum spricht man eigentlich vom Schafskälter? Oder vom Schäferstündchen? Am besten müssten das eigentlich echte Schäfer wissen. Im Biosphärenreservat Rhön und an der Feldberger Seenplatte in Mecklenburg- Vorpommern können Sie mit Schäfern und ihren Herden auf Wanderschaft gehen und sowohl Erstaunliches als auch Amüsantes erfahren.

In der Rhön

Sie waren ein Stein des Anstoßes: die schwarzen Beine einer Rhönschafdame, wie sie ein Comiczeichner zu Papier gebracht hatte und die dann auf den verschiedensten Utensilien abgebildet wurden. Bauern, Politiker aller Parteien, die Presse und sogar Rechtsanwälte beschäftigten sich daraufhin mit “Rhönhildes” Beinen und verhalfen so den Rhönschafen über die Landesgrenzen hinweg zu ungeahnter Popularität.

Eine Geschichte zum Schmunzeln, die Dietmar Weckbach, Schäfer in der Rhön, ganz sicher zum Besten geben wird. Vorausgesetzt, man begleitet ihn bei seiner Arbeit. Dann wird man eine Menge erfahren über die Schafzucht- und das korrekte Aussehen von Schafsdamen! Um eines vorwegzunehmen: Die Kritiker hatten insofern Recht, als Rhönschafdamen in der Tat weiße »Socken- tragen. Doch mal ehrlich: Wer schaut eine; Schafsdame schon zuerst auf die Beine? Und das Gesicht – in Schwarz, war ja korrekt abgebildet. Immerhin!

Das Rhönschaf war vor noch nicht allzu langer Zeit vom Aussterben bedroht, in Hessen gab es in den 1980er  Jahren kein einziges Rhönschaf mehr Und das, obwohl die Tiere mit ihrem weißen Fell, den weißen! Beinen und dem schwarzen, schmalen Kopf dort jahrhundertelang zum Landschaftsbild gehörten. Doch inzwischen weiden sie wieder auf Hessens weiten Wiesenarealen, wo sie zunehmend als Landschaftspfleger fungieren.

Der BUND, in Sorge um die ungesicherte Existenz der Rhönschafe, hatte aus dem geringen noch existierenden Bestand Tiere aufgekauft und sie zu Dietmar Weckbach, Schäfer in fünfter Generation, gebracht. Mittlerweile treibt er eine 600 Kopf starke Herde vom Frühling bis zum Spätherbst über die Weideflächen der Hochrhön und des Ulstertals. Wie eh und je helfen ihm Hütehunde bei der Arbeit.

Jahr für Jahr kommen mehr Besucher und Gruppen, die etwas erfahren möchten über die Schäferei, die Tiere, deren Haltung und Pflege, die Vermarktung des Fleisches und der Wolle. Und die ganz nebenbei auch die herrliche Landschaft im Biosphärenreservat Rhön genießen möchten. Natürlich weiß Weckbach viele Geschichten zu erzählen, schließlich waren nicht nur seine Vorfahren Schäfer, auch er selbst arbeitete rund zehn Jahre lang als Wanderschäfer und hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt.

Der passionierte Schäfer beantwortet geduldig alle Fragen, z. B. was eigentlich das Besondere am Rhönschaf ist, mal abgesehen von den Beinen. Da wäre zum einen das begehrte Fleisch zu nennen, das man heute in vielen Restaurants wieder bestellen kann – auch Weckbach beliefert die Gastronomie mit seinen Bio-Produkten. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der Tiere für den Erhalt der Kulturlandschaft Rhön, Das anspruchslose Schaf, ein hervorragender Bergwanderer, der zudem mit den unterschiedlichsten Witterungsverhältnissen klarkommt und Gehölze verbeißt. So trägt es ganz wesentlich dazu bei, den Lebensraum auf den Bergwiesen, das ” Land der offenen Fernen”, zu erhalten.

Vor allem die Kinder wollen wissen, ob es nicht gefährlich ist, als Schäfer draußen ganz alleine unterwegs zu sein. Wie es ist, einsam am prasselnden Lagerfeuer zu sitzen, unter freiem Sternenhimmel oder in einem Holzkarren zu schlafen. Der Schäfer, der heute einen Hof betreibt, die Schafsprodukte lokal vermarktet und schon längst in einem warmen und bequemen Bett übernachtet, berichtet dann sehr anschaulich von seinem einstigen Nomadendasein. Die einzelnen Arbeitsabläufe, die Veränderungen in seinem Beruf, die ganzen Facetten des Schäferdaseins – all das werden die Teilnehmer der rund zweistündigen Exkursion erfahren und darüber hinaus noch sensibiliesiert für den Naturschutz und eine einzigartige Kulturlandschaft, die nicht zuletzt vom Rhönschaf mitgeschaffen wurde.

Im Hullerbusch

Dudelsackmusik ertönt, alle Augenpaare richten sich auf ihn: Heino Hermühlen, ebenfalls ein passionierter Schäfer. Seine Herde zieht über die Feldberger Seenplatte in Mecklenburg-Vorpommern, einen der wohl reizvollsten und schönsten Landstriche Deutschlands, nicht weit von der Grenze zu Brandenburg. Seit Jahren bietet Hermühlen rund dreistündige Touren durch die Landschaft an, die von der letzten Eiszeit geformt wurde und auf deren sandigen Böden seine rund 400 Mutterschafe samt Lämmchen weiden. Wie das Rhönschaf, so ist auch diese Rasse von robuster Natur und trägt einen klangvollen Namen: Rauwolliges Pommersches Landschaf.

An kalten Wintertagen wird man es zu schätzen wissen, was die Rauwolligen für den Menschen so leisten. Die kuscheligen Kleidungsstücke, die man im Hofladen kaufen kann, hat man nämlich ihm zu verdanken, dem spendablen Schaf, das zwar blöckend, aber letzlich doch bereitwillig zur Schur trappelt und sich seines dichten Haarkleids entledigen lässt. Doch noch ist Sommer und Gäste von Nah und Fern genießen die stimmungsvolle Wanderung, die lehrreich und sehr authentisch ist. Man spaziert inmitten der wolligen Schafherde über die Wiesen und ist ganz nebenbei fasziniert von der Vorführung, die der Hutehund gibt. Ein Wort, ein Pfiff – und er weiß genau, woauf es ankommt. Ein verlorenes Schäfchen wieder einfangen und zur Herde zurücktreiben, das ist sein Job, und den macht er perfekt!

Genau wie die Rhönschafe, so sind auch Hermühlens Tiere Landschaftspfleger. Geben die grasenden Schafe doch den Hügeln und Tälern der Landschaft zwischen Schmalen Luzin und Zansen ihre ganz besondere Gestalt. “So formen sich Landschaft und Landschaft” – auf diese nette Formel hat der Schäfer es gebracht, der bei seiner Wanderung von der jahrtausendealten Kultur der Schäfere berichtet. Einem Beruf, der wie kein anderer Freiheit und Unabhängigkeit symbolisiert und der dennoch längst schon in den Würgegriff diverser EU-Verordnungen geraten ist.

Der Ausflug endet auf dem Hof des Schäfers. Hier hat man im Hofladen noch Gelegenheit, Lammfleisch, Ziegenkäse sowie “Hullerbuscher Lämmerschwänze”, eine Art Minisalami, einzukaufen, außerdem Wollprodukte wie Socken, Strikckwesten und Steppdecken oder einfach Wolle. Die Schäferei ist Mitglied bei Gäa, einem Verband des ökologischen Landbaus, und so führt der Laden auch Biobrot und -wein. Der Hofladen steht selbstverständlich auch allen offen, die nicht an der Wanderung teilnehmen. Aber ehrlich gesagt: Wer darauf verzichtet, versäumt etwas. Denn wann hat man schon die Gelegenheit, das Tier persönlich kennenzulernen, desssen Socken man im Winter trägt? Ob schwarz oder weiß – das ist im Grunde egal. Denn wir sind ja nicht in der Rhön, wo das wirklich eine Rolle spielt!

Wo noch?

Bei Heide-Schäfer-Wochen in der Lüneberger Heide kann man eine Woche lang mit dem Schäfer Meinecke und seiner Heideschnuckenherde durch die Heide wander, von morgens bis abends. Informationen über 1. Deutsches Kartoffel-Hotel Lübeln, 29482 Küsten-Lübeln, Tel. 05841/1360, oder Olaf Stehr, Tel. 0 58 62/1 70, www.kartoffel-hotel.de.

Infos Biosphärenreservat Rhön
Kontakt: Schäfer Dietmar Weckbach, Mittelstr. 1,36115 Ehrenberg-Wüstensachsen, Tel. 0 66 83/2 91, Mobil: 01 71/6989286, www.biosphaerenreservat-rhoen.de; eigene Homepage in Vorbereitung. Kostenpunkt der 2-stündigen Führung: Einzelperson 2,50 €, Erwachsenengruppen ab 10 Pers. 50 €, ab 40 Pers. 95 €.
Lage und Anfahrt: Das Biosphärenreservat Rhön liegt im Dreiländereck Thüringen, Hessen und Bayern. Zum Schäfer Weckbach gelangt man über die Autobahn Würzburg-Fulda, Abfahrt Werneck, weiter A 70 Richtung Bischofsheim, von dort nach Ehrenberg-Wüstensachsen (nördlich vom Bauersberg gelegen).
Essen und Unterkunft: Wohnen Sie doch direkt beim Schäfer in einem der hübschen Ferienhäuser! Dann können Sie Dietmar Weckbach auch zur Hand gehen, ein ganzes Wochenende oder länger mit ihm und seiner Schafherde verbringen.
Eine gute Alternative ist das Traditionshaus Rhönschaf-Hotel zur Krone. Hier dreht sich auch alles ums Schaf. Die insgesamt 20 Gästezimmer haben teilweise Schaf-Design, wobei bei der Einrichtung größter Wert auf natürliche Baustoffe gelegt wurde, etwa auf Holz aus der Region. Denn nicht nur ökologisch-korrekt möchte man sein, sondern auch die heimischen Handwerker und Produzenten stärken, weshalb auch in der Küche vorwiegend Erzeugnisse einheimischer Gärtner und Bauern verarbeitet werden. Serviert wird in einer gemütlichen Gaststube, alle Gerichte auch als Neißel-Portion (zum Probieren). Zudem locken ein Gewölbe. keller von 1852 mit Apfelsherry, eine Schaukelterei samt Saftladen sowie ein Kräutergarten. Eisenacher Str. 24, 36115 Ehrenberg-Seiferts, Tel. 0 66 83/9 63 40, www.rhoenerlebnis.de.
Infos Feldberger Seenplatte
Kontakt: Schäfer Heino Hermühlen, Schäferei, Hullerbusch 2, 17258 Feldberger Seenlandschaft, Tel. 03 98 31/ 2 00 06, www.schaeferei-hullerbusch.de. Termine der Wanderungen: Frühjahr bis Sommer jeden Freitag um 9 Uhr, Treffpunkt: Feldberg/Luzinfähre, Hullerbuschufer. Dauer: 2-3 Std., Erwachsene 5 €, Kinder bis 12 Jahre 3 €.
Hofladen: Zufahrt von der Straße zwischen Carwitz und Wittenhagen, im Sommertgl. 11-19 Uhr, im Frühjahr und Herbst Fr-So 11-19 Uhr geöffnet.
Lage und Anfahrt: Die Feldberger Seenplatte liegt in Mecklenburg-Vorpommern zwischen Berlin und Neubrandenburg, etwa 25 km östlich von Neustrelitz. Zu erreichen ist Heino Hermühlen über die A 11, A 19/24 und A 20 sowie die Bundesstraßen B 96, 109 und 198.
Essen und Unterkunft: Sehr schöne Unterkünfte in kleinen Appartements bietet das am See gelegene Haus Seen-
land. Mit seinen liebevoll eingerichteten Räumen, dem direkten Zugang zum See und dem Restaurant Abendsegler bietet es erholsamen Urlaub, bei dem auch Vierbeiner (auf Anfrage) willkommen sind. Mit Fahrrad- und Bootsverleih. Strelitzer Str. 4, 17258 Feldberg, Tel. 039831/2222, www.luzin.de.

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