Wäre Mozart Freerider oder eine Pistensau?

Eine der besten Ski-Regionen der Alpen ist die aus elf Skigebieten bzw. -orten bestehende “Salzburger Sportwelt”, rund 60 Kilometer südlich der berühmten Festspielstadt gelegen. Wie die Sportwelt vor genau 25 Jahren zu entstehen begann und was sie heute an fabelhaften Fakten zu bieten hat – erfahren Sie in diesem gewissermaßen Jubiläums-Report.

In Kleinarl ist jetz alles anders. Denn die Annemarie hat verkauft.  Die Annemarie Moser-Pröll. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin und sechsfache Weltcup-Gewinnerin der 70iger- und 80iger-Jahre. Österreichs größte Skifahrerin aller Zeigen. Seit 1976 hat sie in ihrem Heimatort das  >Café Annemarie< betrieben.

Aber als dann am 8. Januar 2008 ihr Mann, der Herbert, starb, die Tochter kein Interesse an dem Laden zeigte und sie selbst da auch schon 55 im Herbst des gleichen Jahres nicht mehr gewollt und die Bewirtungsstätte aufgegeben: jene Kult-Ort, den Skifahrer aus Hamburg, Holland oder Stockholm während ihres Urlaubes aufsuchten.
Nun heißt die Pilgerstätte >OLYMPIA Café Restaurant Bar<, und das klingt natürlich viel moderner und cooler. Doch immerhin: die Pokale und Medaillen sind weiterhin in der Vitrine zu sehen. Aber das >Annemarie< ist es halt trotzdem nicht mehr. Und dieser Wandel des kleinen Cafés kann ruhig als Sinnbild des ganz großen Wandels betrachtet werden, der hier stattfand und der auch nicht so rasch aufhören wird. Der Wandel von 1988 bis heute, der Wandel seit der Gründung der Skiwelt Amadé bis zur Jetzt-Zeit hin.

Um es vorweg zunehmen: Dies ist keine Jammer-Geschichte, die irgendwelchen alten Nostalgie-Zuständen nachjammert. Nein – nein, beileibe nicht. Denn was sich in jener Region seit 1988 getan hat – kann aus Skifahrer-Sicht nur als 1.000-promillige Genuss-Erhöhung gegenüber einst bezeichnet werden! Die Region, wie sie jetzt da steht und sich dem Ski-Freak präsentiert: einfach riesengroße Klasse! Es soll nur ein klein wenig daran erinnert werden, wie alles begann und was daraus wurde.

1984 also, vor 25 Jahren, hatte irgendjemand in der Gegend die Idee, dass sich die Gemeinde, Skigebiete, Lifte vielleicht zusammen schließen könnten – um gemeinsam zu profitieren, statt dauern gegeneinander zu kämpfen. Der Denk-Prozess, dass diese Idee eine gute sein könnte, dauerte ein ewig langes halbes Jahrzehnt. (Manche Dinge müssen eben reifen.) Aber ddann war es soweit: Die >Skiwelt Amadé< wurde ins Leben gerufen. Denn nun waren alle unter einem Hut.

Oder besser gesagt: unter einer Perücke. Denn schließlich hatte man den Namen >Amadé< ja extra mit Hinblick auf die werbliche Ausschlachtung Mozarts gegeben. “Wir wollen zeigen”, hieß es bei der Gründung, “dass wir außer Skifahren auch kulturell einiges zu bieten haben!” Dr. Martin Uitz hingegen, der damalige Chef des gesamten touristischen Salzburger Landes, verbreitete beim 5jährigen Jubiläum 1994 dann durchaus feine Ironie: “Wir nahmen Amadé, weil der Mozart sich nicht mehr dagegen wehren konnte…”

Mit >Amadé< unterschrieb er übrigens stets seine Liebesbriefe. (Mozart – nicht Uitz, der leider inzwischen Verstorbene.) Weshalb der Musik-Super-Star (1756-1791; Vita laut 1994er-Amadé-Pressetext: “Frech wie Mick Jagger, revolutionär wie Jimmy Hendrix, ingeniös wie Paul McCartney und geil wie Woody Allen!”) noch stärker in die Werbe-Strategie eingebunden werden sollte. Was sich auch auf das Ski-Leben auswirken würde, wie Spötter damals befürchteten. “So werden Schnee-Lawinen im Salzburger Land künftig wohl Mozart-Kugeln heißen”, hieß es im >Somewhere<-Reisedienst. “Und müssen in den Krankenhäusern eigegipste Skifahrer nunmehr in ein Knöchelverzeichnis eingetragen werden. Desgleichen wird der Verkauf von Snowboard-Mützen im Look blonder Mozart-Perücken prächtig florieren. Armer Amadé – keine Tantiemen…”

Jahrelang ging das mit dem Mozart und der Salzburger Amadé-Skiwelt so weiter. Bis die regionale (Fremdenverkehrs-)Politik – auf die einzugehen hier uns bedauerlicherweise der Raum fehlt – plötzlich für einen Sinneswandel sorgte. Und dazu führte, das Amadé heutzutage etwas ganz, ganz anderes ist als die Salzburger Sportwelt. Denn inzwischen verhält es sich so:

* Im Jahre 2000 wurde aus dem sozusagen Fundus und Durcheinander-Gerümpel der Salzburger Sport- und Skiwelt Amadé die Gesellschaft >Ski amadé< gegründet. Es ist dies ein Skipass- und Marketing-Zusammenschluss der fünf Ski-Regionen Hochkönig, Großarltal, Gasteinertal, Schladming-Dachstein – und eben auch der Salzburger Sportwelt.
* Die Salzburger Sportwelt wiederum besteht aus den elf Skigebieten bzw. Orten (in alphabetischer Reihung) Altenmarkt, Eben, Goldegg, Filzmoos, Flachau, Flachauwinkl, Kleinarl, Radstadt, St. Johann-Alpendorf, Wagrain, Zauchensee.

Die Skipisten sind zwar überwiegend rot und blau – doch mit der Hermann Maier-Weltcup-Strecke existiert auch eine hübsche herausforderung!

Also bitte nie mehr Salzburger Sportwelt und Ski amadé in einen Topf werfen und als das Gleiche bzw. gar als dasselbe betrachten! Sondern: Die Salzburger Sportwelt ist nur mehr einer von fünf Partnern von Ski amadé…

Womit nun sämtliche stets kursierende Missverständnisse ausgeräumt wären – für immer und ewig! Oder zumindest so lange, bis den Orts- und Regions-Fürsten wieder mal etwas Neues einfällt. Und Neues ist den Touristik-Machern dieser Gegend – erfreulicherweise – durchaus immer wieder in den Sinn gekommen. Sonst wäre es nicht so aufwärts gegangen. Die bedeutendsten Unterschiede in der Salzburger Sportwelt gegenüber dem Einst:

Vor 20 Jahren blieben die rund 270.000 Winterurlauber meistens rund 6,5 Tage vor Ort und sorgten für etwa 1,9 Millionen Übernachtungen.

Heute bleiben rund 500.000 Winterurlauber meistens rund 5 Tage vor Ort und sorgen für etwa 2,7 Millionen Übernachtungen.

Viele Aufenthalte werden der Institution Internet kurzfristiger als früher gebucht – und aufgrund der nunmehr günstigen Fluganbindungen oftmals nur von Donnerstag bis Sonntag.

Unwesentlich verändert hat sie die >Orts-Treue<: Die meisten Ski-Urlauber fahren während ihrer 6tägigen Ferienwoche 4 x an ihrem Unterkunfts-Ort Ski – und 2 x an einem anderen Ort der Salzburger Sportwelt (bzw. in einer anderen Ski amadé-Region).

Und: “Die Ski-Kilometer, die man früher an einem Tag schaffte”, so Gerhard Wolfsteiner, Geschäftsführer der Salzburger Sportwelt, “fährt man heute in zwei Stunden! Weil man keine 20 Minuten Lift-Wartezeiten mehr hat wie einst.”

Fast gleich geblieben gegenüber den Anfangsjahren ist zwar die Zahl der Pisten-Kilometer – “aber die Fläche ist größer geworden!” Denn ganze Schlepplift-Terrassen verwandelten sich in Pisten – und auch eine unendliche Anzahl an Strommasten verschwand aus dem Schnee. “Die weiten Hänge”, schwärmt Wolfsteiner, “sind wunderbar passend zur neuen Carving-Technik!”

Ziemlich konstant: Cirka 50% der Gäste stammen aus Deutschland. Und was – fast am wichtigsten – unverändert blieb: “Die einzelnen Orte”, lächelt Wolfsteiner in einer Art diabolischer Freude, “sind alle Rivalen! Und das ist gut für die Kunden, die Urlauber. Denn somit strengen sich alle Gemeinden weiterhin an!”

Natürlich geistert – wie einst – auch heute noch Mozart in den Gedanken aller nicht nur im Schnee, sondern auch in der Kultur cruisenden und carvenden Ski-Fans. Die sich sämtliche die Frage stellen: Wäre er – Tiefschnee-Freak oder Pisten-Sau? Oder gar ausschließlich Après-Ski-Fahrer? Fest steht nur, dass er Papageno nicht im grünen Forst, sondern im Stangenwald eines Slaloms herumgestern lassen würde.

Und desgleichen steht fest, dass er sich auf den Skihütten strikt der >Schneewalzer<-Schunkelei verweigert hätte – dafür aber nach dem sechsten Jaga-Tee genauso “SchiiiiiFoooahrn is des leiwandste….” von Ambros mitgegröhlt hätte wie unsereins. Diese – wenn auch von Alkohol befeuerte – Sangeslust ist wohl so etwas wie der Mozart in uns.

 

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