»Min Gott, he kann keen Plattdüütsch mehr an he versteith uns nich!« An den alten Schlager von Knut Kiesewetter fühlt man sich schnell erinnert, wenn Hartmut Arbatzat von den guten Gründen für einen Plattdeutsch-Sprachkurs auf dem Darß bei Rostock oder auf Sylt berichtet.

Vor allem Zuzügler sowie Mitarbeiter aus Arztpraxen und Krankenhäusern, aber auch Handelsvertreter haben den Ehrgeiz, die Regionalsprache des deutschen Nordens besser zu verstehen, um sich schneller in ihrem Umfeld zu integrieren. »Auch ein japanischer Student war schon dabei und hat sich die spezielle Diphtongierung und Phonetik erklären lassen«, berichtet der Referent aus Hamburg.

Mindestens 5 Mio. Deutsche zwischen Rügen und Borkum sprechen und verstehen – unterschiedlich gut – Platt und schnakken gerne mal los. Zwar verwischen immer mehr die Nuancen zwischen den Ortsmundarten, aber vor allem ältere Menschen beherrschen noch traditionelle Bezeichnungen für alltägliche Dinge und Situationen. Deshalb trainieren Hartmut Arbatzat und Renate Albers mit ihren Kursteilnehmern in der Plattschool vor allem den Basiswortschatz wie etwa Zahlen, die Bezeichnungen für Nahrungsmittel und Familienangehörige oder gängige Situationen.

»Günstig ist es, wenn jemand den Klang der Sprache schon im Ohr hat, von Gesprächen mit der Oma etwa. Aber generell sollten auch Zuzügler im Norden keine Angst haben, sich zu blamieren, sondern einfach losreden. Das Platt muss man trainieren!« Beim Einkaufen, in der nächsten Kneipe und beim Arzt. Mit »Moin, Moin« zu jeder Tages- oder Nachtzeit fängt es an – und schon bald kann man eine kleine Geschichte »vertellen«. Oder mit der richtigen Zahlenkombination beim Umbüdel in der nächsten Kneipe gewinnen. Umbüdel ist übrigens das nicht nur im Norden beliebte Bingo.

Unterhaltsam und anschaulich soll das Lernen sein, betonen die Lehrer. Um Ängste gar nicht erst aufkommen zu lassen, um den sprachlichen Mut zu fördern, führen sie ihre Gruppen gerne auch an den Strand, zeichnen dort mit dem Besenstiel den Grundriss einer Wohnung samt Möbel in den Sand und lassen dann die Einrichtungerklären. Oder sie sehen sich beim Gemüsehändler das Sortiment an, wo schon eine klitzekleine grüne Erbse regional-sprachlich zur Herausforderung wird: Sagt man nun Arch oder Arfke oder Arin mit langem, kehligen »i«??? Da gibt es große Unterschiede in den Ortsmundarten, das Nordniedersächsische hat eine andere Pluralbildung als das Ostfriesische, und allein für den Löwenzahn kennt man mindestens 20 Ausdrücke! Na, da sind handwerkliche Probleme doch schneller zu lösen: Wenn etwa nächtens die Missendöör knarrzt, dann zündet man einen Rietsticken (Streichholz) an, um an der Dielentür nach dem Rechten zu sehen, das lässt sich doch wohl verklugfiedeln (erklären) – oder nicht? »Ideal ist es, wenn die Kursteilnehmer in der vierten Nacht anfangen, auf Platt zu träumen«, berichtet Sprachlehrer Arbatzat, der auch Lernmaterialien veröffentlicht und bunte Abende mit Geschichten, Sketchen, Liedern und Späßen auf Platt veranstaltet.

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In der Charta der Regionalsprachen ist Plattdüütsch neben Sorbisch und Nordfriesisch als schützenswertes Kulturgut aufgeführt, als überregional angeglichenes Funkplatt ist es im Ohnsorg-Theater und im Fernsehen beim »Großstadtrevier« von der Hamburger Reeperbahn häufig zu hören, ganze Wörterbücher widmen sich seinen Finessen. Der reizvollste Teil der Kurse ist für die Teilnehmer jedoch ein Abend mit Pfarrer Stier auf dem Darß, der eigene Texte im örtlichen Platt vorträgt, oder eine Lesung mit Liedern und Sketchen in der Heimvolkshochschule Klappholttal auf Sylt sowie ein Schnakk mit einem Jäger über die Tiere und Planten am Wegesrand. Da wären zum Beispiel die Barnnettel (Brennessel) oder der Buessenholt, der Schwarze Holunder. So geiht dat!

Infos Plattdeutsch

Kontakt: Plattsehool, c/o Dr. Hartmut Arbatzat, Bielfeldtstr. 11,22763 Hamburg, Tel. 0 40/88 15 06 05, www.plattsehool.de. Fünftägiger Sprachkurs auf dem Darß inkl. Unterkunft und Verpflegung für maximal 15 Teilnehmer ab 210 €.
Lage und Anfahrt: Darß, Mecklenburg-Vorpommern. A 19 Richtung Rostock, Ausfahrt Rostock Ost, weiter in Richtung Riebnitz-Damgarten, noch vor dem Ort Abzweigung nach Fischland und zum Darß.
Vollständige Wörterbücher (Wöörbook) und viele Hintergrundinformationen unter www.plattdeutsch.net.
Sehenswertes drum herum: Spaziergänge an der Ostseeküste der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, Besuche im Künstlerort Ahrenshoop und Erkundungen im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft sind ein Muss. Im Sommer gibt es eine Fülle von kulturellen Veranstaltungen.
Essen und Unterkunft: Auf dem Weg zur Ostsee lohnt sich westlich von Rostock ein kulinarischer Stopp im vielfach ausgezeichneten Fischereihof Detlefsen, wo Köstlichkeiten aus den heimischen Gewässern zubereitet werden. Am Hütter Wohld 5, 18209 Hütten bei Parkentin (A 20 Ausfahrt Doberan, weiter über Hanstorf nach Parkentin), Tel. 03 82 03/1 22 44.
Im Herbst wird der Darß zur Gourmetmeile. Wer würde dann nicht gerne Delikatessen wie Sanddornmousse oder Mecklenburger Bauernenten mit Sauerkirschsoße schlemmen.

darsSprachferien einmal anders: Plattdeutsch

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Ein Kommentar zu “Sprachferien einmal anders: Plattdeutsch”

  1. Sprachferien sagt:

    klingt nach viel Spaß. die Beschriebung macht jedenfalls lust auf mehr.

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