Geduld, wetterfeste Kleidung, ein Fernglas und ein flexibler Biorythmus wegen gelegentlich ungewohnter Beobachtungszeiten sind Voraussetzung, wenn man sich in seiner Freizeit aufmachen will, um besonders prächtige oder seltene Vögel in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben. Im Großbritannien ist Birdwatching ein Hobby für Millionen, aber auch zwischen den alpinen Felswänden am Königssee und den Schilfgürteln am Darß entdecken immer mehr Naturfreunde die zirpende, flatternde, rüttelende, flötende Vielfalt der Gefiederten.

Die Könige der Müritz

Ohne Zweifel, die Küsten- und Endmoränenlandschaften im Norden sind ein paradiesischer Flickenteppich für Vogelbeobachter. Auch einst vom Aussterben bedrohte Arten haben sich in den welligen Naturschutzgebieten von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gut erholt, erobern derzeit sogar neue Lebensräume – wie etwa seine Majestät, der Seeadler.

Mit bis zu 2,50 m Flügelspannweite schwebt der größte Greifvogel Nordeuropas über dem Nationalpark Müritz. Deutschlands Wappenvogel ist hier König, er baut seinen Horst in die Kronen der alten Bäume, duldet Live-Cams, die ihn bei der Brutpflege filmen, und lässt sich gerne bei der Jagd beobachten: Zappelnde Fische aus den mehr als 100 Seen im 1990 gegründeten Nationalpark ernähre ihn ebenso wie überfahrene Hasen und andere Wildtiere entlang der Bahntrasse Berlin-Rostock. Auch die etwas kleineren Fischadler, die in Westafrika über dem Seenland, brüten u. a. auf Hochspannungsmasten, orten im Rüttelflug ihre Beute und stürzen sich mit zusammengeklappten Flügeln in das klare Wasser.

Zur Zugvogelzeit im September und Oktober locken Hunderttausende von Blässegänsen, Tafelenten, Singschwänen und Graukranichen Beobachter mit Fernrohren und Sammlplätze in dem nur 32 000 ha großen, aber unglaublich vielfältigen Nationalpark, dem “Land der tausend Seen”.

Storchendörfer

Die berühmtesten Einwohner von Rühstädt an der Elbe sind große weiße Vögel mit roten Beinen und klappernden Schnäbeln. Von April bis September sind sie die Attraktion in der einzigen Gemeinde Deutschlands, die sich mit dem Titel “Europäisches Storchendorf” schmücken darf.

Waren es 1970 nur sieben bewohnte Horste, so brüten nun über 40 Storchenpaare in dem Prignitz-Ort und beherrschen den Luftraum zwischen Kirchenturm, Rathaus und Elbauen. Jahr für Jahr ziehen sie rund 70 Jungstörche auf und Tausende von Beobachtern an. Kein Wunder, dass die Rühestädter ihre fliegenden Halbnomaden als Touristenattraktion im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg bestens vermarkten: An den Wochenenden  gibt es Führungen und im August oraganisiert der Storchenclub ein großes Strochenfest. Kurz danach machen sich die Vögel dann auf ihre weite Reise in das afrikanische Winterquartier.

Aber nicht nur in Rühstädt ist Weltenbummler Adebar zu Hause. Seine Horste prangen vor allem in Sachsen-Anhalt auf vielen Türmen, Schornsteinen und sogar in aufgepflanzeten Trabis sieht man sie nisten. In Rumpshagen hat man zu Ehren der Großvögel ein spanndendes Storchenmuseum eingerichtet, im Informationszentrum Ankerhagen liefern Kameras Livevideoübertragungen aus dem Storchennest auf dem Gutshaus Friedrichsfelde und die Vögel spazieren ohne Scheu vor den begeisterten Besuchern durch den Ort.

Wissenswertes über Zugrouten, Brutverhalten und Nahrungssuche vermitteln auch die Ausstellungen des NABU in der Storchenschmiede Linum im Havelland und vor allem im holsteinischen Storchendorf Bergenhusen. Dort präsentieren die Wissenschaftler des Michael-Otto-Forschungsinstituts im Storchenmuseum die neusten Erkenntnisse über den beeindruckenden Vogel. Man lernt in der Ausstellung u. a., das ein feuchter Sommer wie etwa 2007  das Beste ist, was dem Weißstorch passieren kann: Auf den Wiesen vermehren sich Frösche, Würmer und Feldmäuse in solchen Mengen, dass der klappernde Nachwuchs in den Horsten wohlgesättigt zum ersten Flug in den Süden starten kann.

Vogel-Tour-Spezialisten

Wer nicht auf eigene Faust durch Schilfzonen schleichen oder in Beobachtungsposten kauern will, um dann doch zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, nutzt die Angebote von Insidern: Als Spezialveranstalter für vogelkundliche Reisen weltweit hat sich birdingstours etabliert. Über 50 vogel- und naturkundlich reizvolle Regionen zwischen Bodensee und Mongolei sind im Katalog vertreten, die Termine richten sich nach den Zeiten von Vogelzügen und anderen entscheidendne Faktoren für optimale Beobachtungsergebnisse. “Deutsche Ziele bilden aber den Schwerpunkt, es gibt hier Unglaubliches zu entdecken! Anfänger in der Vogelbeobachtung lernen auch die Arten näher kennen, die sie vielleicht schon mal in ihrem Garten gesehen haben”, berichtet birdingtours-Mitarbeiter Frank Wichmann. Ob zur Balz der Waldschnepfe in den Nordschwarzwald, zu dne Lummenfelsen von Helgoland oder zur Kranichrast in die vorpommersche Boddenlandschaft, die kleinen Gruppen erleben unter fachkundiger Leitung die schönsten Landschaften und die prächtigsten Exemplatre der Vogelwelt.

Auf Exkursion zu Fuß, mit dme Fahrrad oder auch im Paddelboot spüren sie geduldig blau glänzende Eisvögel und orange-braune Fichtenkreuzschnäbel auf, lauschen bei einer Vogelstimmenwanderung in den frühen Morgenstunden dem Drosselrohrsänger und freuen sich über einen Rohrschwirl, der ihnen plötzlich vor die Linse fliegt.

“Mehr Augen sehen einfach mehr und auch aus Fehldiagnosen von anderen lernt man”, beschreibt Wichmann die Vorteile der Vogelbeobachtung in der Gruppe. Einsteiger profitieren von der Erfahrung der anderen im Umgang mit lichtstarken Okularen, den besten Bestimmungsbüchern und dem optimalen Mückenschutz im Niederwald. Durch die jahrelange enge Zusammenarbeit des Verwalters mit örtlichen Naturschützern kommen die Hobbyornithologen an unbezahlbare Beobachtungstipps. Wo sammeln sich im Frühherbst die Kraniche für ihren Zug nach Spanien? Wann beginnt das Vogelkonzert auf dem Hoppelberg im Harz, und warum treiben sich seriöse Vogelfreunde auf dem Schnepfenstrich herum? Fragen Sie einfach ihren Reiseleiter! Durch die Führung ist es auch für Laien einfach, Fehler aus Unwissenheit zu vermeiden und die scheuen Tiere nicht unnötig zu stören. “Allerdings sind heutzutage Beobachtungstürme und Unterstände so angelegt, dass sie wiet genug von den sensiblen Vogelarten entfernt sind. Ein Problem ist da schon eher, dass geschwätzige Besucher andere Beobachter stören. In der Gruppe greift, dann eine gewisse Selbstkontrolle”, weiß Vogelfreund Wichman.

Der Lohn für geduldiges Schweigen  in Feld und Flur sind immer wieder spannende Erlebnisse rund um die geflügelten Preziosen. “Doch wir heben die Ferngläser nicht nur für Seltenheiten”, betonen die Organisatorne. Auch heimische Insekten und Säugetiere, rare Blüten, die örtliche Kulturgeschichte, ein guter Tropfen Wein und regionale Spezialitäten genießen die Aufmerksamkeit der naturnah Reisenden. Schließlich sollen von den bestens organisierten Vogelbeobachtungen nicht nur die Fotoarchive, sondern v. a. die Menschen selbst profitieren.

Birdwatch-Aktion des NABU

Auch im heimischen Garten oder in der Hecke am Feldrand warten Überraschungen auf Hobbaornithologen: Regelmäßig ruft der Naturbund für Deutschland e. V. an einem langfristig festgelegten Tag im Oktober zu deutschlandweiten Vogelzugbeobachtugen auf. Dabei registrieren die Beobachter in ihrem Terrain die Vorkommen von rund 190 Arten und melden ihr Ergebnis an die regionalen Zentralen. Immerhin verlassen im Herbst an die 50 Mio. Zugvögel ihr Sommerquartier in Deutschland.

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Infos Müritz

Nationalpark Müritz (Verwaltung), Schlossplatz 3, 17237 Hohentung, Tel. 03 98 24/25 20, www.nationalpark-muentz.de. Acht Nionalpark-Infohäuser, geöffnet Mai-Okt. tgl. 10-17 Uhr. Ganzjährig geführte Exkursionen zu Nist-, Schlaf- und Rastplätzen der Seeadler und vieler anderer Vögel; Videoübertragungen aus den Horsten von Federow und Friedrichswalde, Vorträge in den Infozentren; Ende September Kranichzug.
Lage und Anfahrt: Mecklenburg-Vorpommern, ca. 130 km nördl. von Berlin. A 19, Ausfahrt Waren (Müritz) oder Röbel (Müritz), E 251/B 96 ab Berlin. Sehenswertes drum herum: Als Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte ist das Gebiet um den Nationalpark Müritz touristisch bestens erschlossen. Vor allem Wassersportier und Kulturfreunde können in den Sommermonaten ein umfangreiches Freizeitangebot nutzen. Detaillierte Informationen u. a. beim Tourismusverband Mecklenburg- Vorpommern

Infos Storchendörfer

Storchendorf Rühstädt bei Wittenberge, Neuhaustr. 9, 19322 Rühstädt (westl. Brandenburg), Tel. 03 87 91/ 9 8022, www.storchenclub.de;

Storchenschmiede Linum, Nauener Str.54, 16833 Linum (Brandenburg;
A24, Ausfahrt Fehrbellin), Tel. 03 39 22/ 50500.

Michael-Otto-Institut und Storchenmuseum Bergenhusen, Goosstroot 1, 24861 Bergenhusen (Schleswig-Holstein, zwischen Rendsburg und Husum; A 7). Tel. 0 48 85/5 70; April-Sept. tgl. 10-18 Uhr.

Infos Vogelbeobachtung allgemein

Birdingtours, Franz-Hess-Str. 4, 79282 Ballrechten, Tel. 0 76 34/ 50 55-20, www.birdingtours.de. Breit gefächertes Angebot an naturkundlichen Reisen in alle Welt; Schwerpunkt: vier- bis fünftägige Pauschalreisen zur Vogelbeobachtung in Deutschland inkl. Exkursionsprogramm unter fachkundiger Leitung ab ca. 400 €. Viele Ideen, Berichte von aktuellen Sichtungen und Kontakte für Vogelfreunde bietet die Internetplattform www.birdnet.de.

Birdwatch: An der in ganz Europa durchgeführten Vogelzählaktion beteiligt sich auf nationaler Ebene der Naturschutzbund Deutschland (NABU), Bundesgeschäftsstelle, Charitestr, 3, 10117 Berlin, Tel. 0 30/28 49 84-0, www.nabu.de. Informationen erhält man auch bei den Landesverbänden und den 72 deutschen NABU-Zentren.

storchVogelbeobachten

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