Es ist eine ungemütliche Jahreszeit, in der die Kegelrobben ihren Nachwuchs zur Welt bringen: Zwischen November und Januar werden, oft bei eisigen Minustemperaturen, auf einsamen und hochwassergeschützten Sandbänken etwa vor Juist und Amrum die niedlichen Robbenbabys geboren. Wer diesem fantastischen Naturschauspiel beiwohnen oder die Robben aus allernächster Nähe beobachten möchte, der sollte jedoch nach Helgoland schippern. Hier, und das ist in Deutschland einzigartig, bringen die Kegelrobben ihre Jungen am Strand zur Welt. Und freuen sich über netten Besuch!

Naturschauspiel im Winter

Die Nordseeinsel Helgoland, rund 55 km nordwestlich von Cuxhaven gelegen, ist winzig klein, ein Steuerparadies und hat zudem eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Tagestouristen und Wochenendausflügler nehmen die bei schwerem Seegang mitunter abenteuerliche Überfahrt auf sich, um hier steuerfrei einzukaufen, die herrliche Landschaft und die gute Seeluft zu genießen oder um einfach hervorragend zu essen. Dass es zunehmend auch Tierfreunde auf die gerade mal 1 km² große Insel lockt, liegt an Halichoerus grypus, zu Deutsch: Kegelrobbe. Auf der vorgelagerten Nachbarinsel Düne kann man seit den 1990er- Jahren im Winter für mehrere Wochen einem einzigartigen Naturschauspiel beiwohnen: der Aufzucht und Pflege der Babykegelrobben mit ihrem auffallend schönen weißen Fell.

Tierschützer sind begeistert von den gegenwärtigen Zuständen. Nachdem die Kegelrobbe, die nach ihre kegelförmigen Schnauze benannt ist, vermutlich aufgrund intensiver Bejagung lange Zeit aus der Nordsee verschwunden war, nimmt ihr Bestand derzeit kontinuierlich zu. So findet man die Tiere auch im Wattenmeer vor Amrum und Juist, doch dort eher zufällig. Die Naturgesellschaft Schutzstation Wattenmeer e. V. richtet dann “flexible Ruhezonen” für die Robben ein und sucht regelmäßig die Strände nach Jungtieren ab, die möglichst ungestört bleiben sollen.

Auf Helgoland jedoch kann man sehr gezielt auf Tierbeobachtungstour gehen. Seit mehr als zehn Jahren kommen die Robben regelmäßig auf die kleine Insel Düne (0,7 km²) mit ihren einsamen Sandstränden, um hier ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen.

Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Wurde im Winter 1996/97 gerade ein Robbenbaby geboren, waren es 2002/ 2003 schon neun, 200412005 17 und im Winter 2006/2007 sage und schreibe über 30 Jungtiere.

Mit einem Ex-Seehundjäger auf Tour

Wer nicht auf eigene Faust nach Helgoland reisen möchte und zudem sachkundige Begleitung sucht, der kann z. B. über den Hamburger Veranstalter laMar-Reisen, Kooperationspartner des WWF (World Wide Fund for Nature), im Winter wie im Sommer eine viertägige Pauschalkurzreise buchen, die die Robben zum Schwerpunkt hat. Los geht die zweistündige überfahrt mit alten Bäderschiffen in Cuxhaven. Helgoland hat dank des Golfstroms selbst im Winter noch ein angenehm mildes Klima, sodass dort öfter die Sonne scheint als anderswo in Deutschland.

Auf manchen Fahrten tauchen plötzlich Schweinswale aus den Wellen auf, garantieren kann der Veranstalter das allerdings nicht. Ziemlich sicher ist indes, dass man zu den angebotenen Reisezeiten Kegelrobben antrifft. Begleitet wird man bei der Fahrt zum Aufzuchtstrand von einem einst passionierten Seehundjäger, der nun als Wächter und Beschützer fungiert und genau aufpasst, dass niemand den kleinen Robben zu nahe kommt.

Grundsätzlich gilt ein Mindestabstand von 30 m. “Denn gerade wenn die Kegelrobben Junge haben, können sie auf Menschen recht aggressiv reagieren”, so Barbara Focke von laMar-Reisen. »Vor allem die Bullen verstehen da keinen Spaß. Und man wundert sich, wie schnell die Robben sich selbst in dem tiefen Sand fortbewegen können, wenn sie ihre Jungen gefährdet sehen.« In Begleitung eines erfahrenen Seehundjägers jedoch kann man sich bis auf wenige Meter an die Tiere heranwagen.

Dieter Siemens ist einer der bei den Experten, die im Winter, meist um Weihnachten herum, jede Menge zu tun haben. Denn jetzt heißt es die Jungtiere zu markieren, zu fotografieren und Daten zu erheben. “Zwar jaulen die Jungtiere kurz auf, wenn sie die Marke bekommen, doch richtig weh tut es ihnen nicht”, berichtet Barbara Focke. Eine solche Markierung ist wichtig, da man nur so verlässliche Daten erheben kann – über Eigenschaften, Wanderungen und die Fortpflanzung der Tiere. Focke: “Leider gibt es bislang noch kein Forschungsprojekt zum Thema Kegelrobben, das genau analysiert, wo sich die ausgewachsenen Tiere ansiedeln.”

Während die Seehundspezialisten ihre harte Arbeit verrichten, können die Besucher das Schauspiel in vollen Zügen genießen: zuschauen, wie die Robben auf Tauchgang gehen, um Beute zu jagen, sich anschließend wieder um ihre Jungen kümmern und sie geduldig säugen. Und Helgolands Seehundjäger Siemens weiß eine Menge Interessantes, aber auch Trauriges und natürlich Lustiges aus seinem langen und ungewöhnlichen Berufsleben zu berichten. Falls ein heftiger Sturm einsetzt, kann es – in seltenen Fällen – passieren, dass die überfahrt nach Düne nicht möglich ist!

Bad im Meer

Bei der Kegelrobbe handelt es sich um Deutschlands größtes Raubtier, das bis zu 300 kg schwer werden kann. Doch das braucht niemanden ängstigen. Die Helgoländer Kegelrobben haben sich mittlerweile an den Menschen gewöhnt und zeigen sich in der Regel friedlich, sofern man sie ebenfalls respektiert.

Im Sommer sieht man die Tiere, oft zusammen mit Seehunden, beim vergnüglichen Bad im Meer. Und wer in der warmen Jahreszeit selbst auf der Insel Düne badet, tut dies meist in ihrer Gesellschaft. Zwar halten Robben und Seehunde in der Regel von sich aus einen Sicherheitsabstand ein, dennoch kann es vorkommen, dass sie ich den Badegästen bis auf wenige Meter nähern. “Ich würde natürlich niemandem empfehlen, hinter einer Kegelrobbe herzuschwimmen oder ihr zu nahe zu kommen”, so Barbara Pocke, “aber die Tiere sind tatsächlich in der Nähe.”

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Was Helgoland sonst noch zu bieten hat

Ob im Sommer oder im Winter: Zu der beschriebenen Pauschalreise gehören neben den Kegelrobben noch weitere interessante Programmpunkte, Die Insel, die während des ZweitenWeltkriegs von Bomben schwer getroffen wurde und in deren Felsen sich zahlreiche Bunkeranlagen befanden, bietet auf kleinstem Raume vielfältige Besichtigungsmöglichkeiten. Toure durch die Tunnel und Bunkeranlagen zählen ebenso dazu wie Spaziergang entlang der 50 m hohen Steilküste zum Lummenfelsen und zur Lange Anna, dem Wahrzeichen Helgolands.
Es war ein glücklicher Umstand, dass die Insel der Sprengung durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, wie durch ein Wunder standgehalten hat. Sie bietet Naturfreunden neben den Robben spannende Anlaufpunkte wie die Vogelwarte etwa oder das Aquarium. Dieses ist seit 1998 Teil der Stiftung Alfred-Wegener-Institut und vermittelt wie ein belebtes Schaufenster einen hervorragenden Einblick in die Unterwasserwelt der Nordsee.

Über 100 verschiedene Tier- und Pflanzenarten werden in den 19 großen Nordseewasserbecken präsentiert, darunter Stör, Seewolf, Hai und der blaue Hummer. Passionierte Robbenfreunde können anstatt der obigen Programmpunkte eine weitere Fahrt nach Düne planen und noch einmal nach den Robben sehen, die sich an den Besuchern nicht stören. Sie scheinen verstanden zu haben, dass ihnen von den Menschen keine Gefahr mehr droht. Endlich!

Infos Kegelrobben

Kontakte: Kurverwaltung Helgoland, Lung Wai 28, 27498 Helgoland, Tel. 04725/813711, www.helgoland.de
Vogelwarte Helgoland, 27494 Helgoland, Tel 0 47 25/6 40 20.
Aquarium, Kurpromenade, 27488 Helgoland, Tel. 0 47 25/81 92 28, April-Okt. Mo-Fr 10-17, Sa/So 13 bis 16 Uhr, Nov.-März auf Anfrage. Erwachsene 2,60 €, Kinder 1,50 €.
World Wide Fund for Nature (WWF), WWF-Zentrum für Meeresschutz, Hongkongstr. 7, 20457 Hamburg,
Tel. 0 40/5 30 20 00, www.wwf.de.
Naturschutzgesellschaft Wattenmeer e.V., Grafenstr. 23, 24768 Rendsburg, Tel. 0 43 31/2 36 22, www.schutzstation-wattenmeer.de.
laMar-Reisen, Hamburg, Tel. 0 401/59457064, www.lamar-reisen.de. Das Pauschalangebot des Veranstalters umfasst: die Schiffsfahrt Cuxhaven-Helgoland-Cuxhaven, laMar-Reiseleitung, Spende an den WWF, 3 Übernachtungen mit Frühstück, Mittagessen, zwei 3-Gang-Menüs inkl. Getränke, Überfahrt zur Insel Düne, Robbenbeobachtung mit dem Ex-Seehundjäger, GPS-Schatzsuche, Eiergrog-Umtrunk, Filmabend, Eintritte und Führungen für Aquarium, Bunker und Jordsand sowie ein Infopaket. Alternativ ist die Anreise auch mit dem Flugzeug ab Hamburg
möglich (Aufpreis). Reiseteilnehmer können in der Hamburger Hafencity auch das 2006 in einem historischen Lagerhaus an der Eibe neu eröffnete Meeresschutzzent- rum besuchen (Anmeldung über den Veranstalter).
Ausrüstung: Empfohlen werden ein Fernglas sowie evtl. Akupressurbänder gegen Seekrankheit.
Lage: Helgoland (“Heiliges Land”) besteht aus der Hauptinsel sowie der kleinen Nachbarinsel Düne. Es gehört zu Schleswig-Holstein und ist die am weitesten vom Festland entfernt liegende Nordseeinsel. Auf der Insel leben rund 1500 Menschen; sie befindet sich außerhalb des deutschen Zoll- und Steuergebiets.
Anfahrt: Ab Cuxhaven mit Bäderschiffen (2 Std.) oder mit dem Katamaran ab Hamburg (Fahrtzeit ca. 3,5 Std.).
Essen und Unterkunft: Wer auf eigene Faust anreist, dem sei auf Deutschlands einziger Hochseeinsel das attraktive
Design-Hotel atoll helgoland empfohlen. Zwar liegt es nicht “mitten im Meer”, wie ein Slogan nahelegt, doch hat man sich bemüht, die für ein Atoll typischen Elemente gestalterisch umzusetzen. Mancherorts erinnern die Farben an die Südsee, fließende Formen lassen an Wellen denken und die besonderen Lichteffekte tun ein Übriges. Viel gelobtes Restaurant.
Lung Wai 27, 27498 Helgoland, Tel. 0 47 25/8000, www.atoll.de. Helgoland hat eine große Bandbreite an Restaurants, in denen man z: B. Knieper, die Scheren der Helgoländer Taschenkrebse, Büsumer Nordseekrabben, saftige Scholle, Seezunge, Dorsch oder auch exotische Fischgerichte serviert bekommt. Daneben sind es vor allem die Inselkneipen, in denen man sich im Winter bei einem Grog wieder aufwärmen kann. Eine davon ist die Bunte Kuh, Hafenstraße 1013-1018, Tel. 0 4725/81 13 43.

robbeKegelrobbe

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Ein Kommentar zu “Bei den Kegelrobben”

  1. Onno sagt:

    Wer nicht nach Helgoland fahren mag, kann dennoch einen Einblick in das Leben der Robben tun. Z.B. mit dem Buch “Robben an Nord- und Ostseeküste” von Cornelius Nelo, in dem Kegelrobben eine große Rolle spielen.

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